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Störfall Merkel

Club of PoliticsAngela Merkel ist vollständig von allen guten Geistern verlassen. Unionsbrüder und ihre Schwestern staunen, ob das denn wirklich ihre Angie ist. Eigentlich steht sie nie klar hinter einer Sache sondern wartet ab, welche Seite gewinnt und woher der Wind kommt. Doch ausgerechnet in der Frage der Atomkraft und deren Kernkraftwerke legte sie sich fest: Sie fegte die rot-grüne Atomausstiegs-Politik weg, als wenn es sich um eine Beleidigung Angela Merkels höchstpersönlich gehandelt haben könnte. Endlich zeigte sie bei einem Thema Flagge:

Atomkraft, das sei ihr Ding. Atommüll gibt es nicht und Störfälle sind etwas für die Märchenstunde. Und nun das: Die atomaren GAU-Störfälle in Japan bringen das Volk wieder zurück zur Antiatom-Bewegung – und Angela Merkel steht plötzlich ganz allein da. Selbst ihr Kammerdiener Röttgen rückt still und heimlich von ihr ab. Was macht Merkel nun? Für sie ist es nicht unlogisch, wenn man gleich am nächsten Tag das Gegenteil behauptet. Aus Gurken werden Bananen, die Atomkraft ist sicher, aber sie soll sicherheitshalber nochmals sicher überprüft werden. Sicherlich.

Alles soll nun überprüft werden. Man werde ein lang andauerndes Moratorium einführen. Am besten noch eine Experten-Arbeitsgruppe und diverse Untersuchungsausschüsse etablieren. Alle Kraftwerke sollen überprüft werden. All das hatte sie ja schon vor einiger Zeit unternommen. Mit dem Resultat, dass die Laufzeiten gerade der alten Kraftwerke verlängert wurden. Schwarz und Gelb jubelten damals zu. Selbst die FDP feierte dies als Durchbruch. Man erkaufte so wahrscheinlich die Steuersenkung für die Hoteliers. Sie waren ja sicher – die Reaktoren. Also damals. Denn heute ist sich Merkel nicht mehr ganz sicher.

Das Fatale an der Affäre ist ja nun nicht, dass Merkel umfällt. Sondern: Sie ist Doktor der Physik. Als solches sollte sie sich von Anfang an mit der Materie besser auskennen. Ein Atom-Kraftwerk, das nach dem Prinzip der Dampfmaschine funktioniert und statt mit Holz und Feuer einfach mit radioaktivem Abfall beheizt wird, ist weder eine moderne noch eine saubere Technologie. Eine Technik, die im Schnitt alle 2 Jahre zu einem schlimmen Störfall oder zu einer beinahe Katastrophe führt, wird von einer Atom-Lobbistin Merkel gut geheissen, obwohl dadurch das Leben und die Gesundheit des deutschen Volkes in Gefahr sind. Wer diese Zahlen anzweifelt, der möge sich nur nach den bekanntesten Störfällen und Unfällen informieren:

  • Belojarsk (UdSSR/Russland) 1964, 1977, 1978, 1979, 1992, 1993, 1994, 1995, 1996, 2000, 2007:
    (GAU bis Super-GAU) mehrfach Schauplatz von Kernschmelzen.

  • Biblis (Deutschland 1987, 1989, 1994, 1998, 1999, 2002, 2003, 2004, 2005, 2006):
    (GAU bis nahe Super-GAU) 16 Stunden blieb 1987 eine Störung des Kühlsystems des Reaktor A unbemerkt. 16 Stunden lang stand Deutschland unbemerkt vor einer Kernschmelze. Man hielt die Warnleuchte für einen Defekt in der Anzeige.

  • Forsmak (Schweden bekanntester Störfall 2006):
    (GAU bis nahe Super-GAU) nur eine Stunde fehlte 2006 zum Super-GAU und zur Kernschmelze.

  • Idaho Falls (USA) Seit 1947 Forschungsgelände und Sitz diverser Testreaktoren:
    (GAU) mehrfach Schauplatz von Katastrophen.

  • Leningrad I & II (UdSSR 1974, 1992, 2005, 2006, 2008 ):
    (GAU) Horrorunfälle mit atomaren Bränden ala Sellafield in den 70ern.

  • Lucens (CH 1969 – 1971):
    (Nahe Super-GAU) nur ein Stollen im Berg verhinderte 1969 das Ende der Schweiz.

  • Tschernobyl (UdSSR 1986):
    (Super-GAU) der bekannteste Super-GAU der Geschichte als Folge eines harmlosen Tests des Reaktors.

  • Windscale und Sellafield (GB 1957, 1973, 2005, 2006):
    (GAU) wegen der vielen Unfälle später in Sellafield umgenannt.

  • Japan 2011:
    (Super-GAU) die Zahl der betroffenen Reaktoren und das Ende sind noch offen. Doch aus dem grossen GAU kann jeder Zeit ein Super-GAU werden.

Wer immer noch behauptet, ein Super-GAU wäre unmöglich und käme nur dann wenn es Erdbeben gäbe, der steht auf dem Lohnzettel der Atomenergie. 1979 wurde der Bevölkerung mitgeteilt, dass nach einer deutschen Risikostudie nur alle 10.000 Jahre ein Super-GAU auftreten könnte. Es waren übrigens Reaktorjahre gemeint. Somit wurde doppelt gelogen. Damalige Kritiker warfen der Studien vor, die Zahlen wären geschönt gewesen: Alle 1.000 Jahre käme es zu einer Kernschmelze und alle 11.000 wäre mit einer Kernschmelze inklusive radioaktivem Fallout zu rechnen. 1989 kam die Gesellschaft für Reaktorsicherheit zu dem Ergebnis, dass nur alle 33.000 Jahre mit einem besonders schweren Unfall zu rechnen sei. Inzwischen gehen wir – alle inoffiziellen und verheimlichten Vorfällen nicht mitgerechnet – von mindestens 40 Gau und Super-GAU Vorfällen in den letzten 40 Jahren aus. Wenn denn die Studie aus dem Jahre 1989 stimmt, dann werden wir ab sofort in den nächsten 1,32 Millionen Jahren keinen Störfall mehr haben. Das sind Argumente, die Agela Merkel nun im Wahlkampf dem Volke zeigen sollte.

Technisch gesehen ist es schon eine starke Untertreibung, einem Atomkraftwerk derartige Stabilität zu bescheinigen. Zu fragil ist das System: Wird ein Reaktor vom Netz genommen, dann produziert er keinen Strom mehr. Das Problem: Der Reaktor produziert auch für seine Systeme keinen Strom mehr und hängt nicht am Netz. Dadurch werden die Kühlsysteme nicht mehr mit Strom versorgt. Wenn nun die Dieselaggregate nicht funktionieren oder gar der mechanische Kühlkreislauf nicht anläuft, dann dauert es nur noch wenige Stunden, um die Bevölkerung in Sicherheit zu bringen. In Japan kann man diese Zeit verlängern, in dem man Meerwasser in die Anlage umleitet. Die Menschen, die dies vor Ort unternehmen, werden dauerhafte Schäden durch die freiwerdene Radioaktivität davontragen. Dummerweise hat man nicht überall genügend Meerwasser. In mancher Situation kann dies auch ein Segen sein, denn: Meerwasser ist salzig und leitet Strom. Das kann zu weiteren Komplikationen führen. Die Achillesferse eines Atomkraftwerkes ist also sein Ausschalten: Wehe, man schaltet das Kraftwerk aus und die Kühlung wird nicht oder nur ausreichend funktionieren. Es gibt keiner Umkehr. Niemand kann das Abschalten eines Atomkraftwerkes umkehren. Erst wenn das Kraftwerk vollständig ausgeschalten ist, kann man es wieder einschalten. Beide Vorgänge nehmen einige Tage in Anspruch. Genau dies wollte man – welch Ironie – 1986 in Tschernobyl testen. Die Folgen sind allen bekannt.

Was also will Merkel nun dem Volk sagen? Das Geld der Atomlobby und die gekauften Studien waren überzeugend genug? Was muss denn noch passieren? Wieviele Tote benötigen Politiker bevor sie endlich einsahen, dass sie auf dem dunklen Irrweg wandern. Bevor sie merken, dass all das Lobbygeld nicht glücklich macht? Wie ruhig kann ein Politiker schlafen, wenn durch seine Fehler anderswo Menschen wegen Strahlenschäden elendig zu Grund gehen. Nur weil diese Politikerin nicht in der Lage war, einfach und vernünftig zu handeln?

Angela Merkel, wo ist ihr Gewissen?

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