Die Taten eines Karl-Theo Guttenbergs waren schlimm genug. Gerade seine Doktorarbeit war eine akademische Schande für die Titelvergabe – dazu mit summa cum laude! Am Ende hatte er unter dem Druck von Angela Merkel (jene schob Schavans Wutrede vor) die Reißleine gezogen und ist – ohne die politische Realität und seine eigenen Fehler wirklich wahrzunehmen – gegangen. Am Ende zählt: Er hat sich aus den politischen Betrieb zurückgezogen. Ist damit nun alles wieder in Butter?
Nein! Denn wenn man den Guttenberg bestraft, dann muss man gerade auch jene bestrafen, die dieses Unglück überhaupt möglich machten: Zum Beispiel eine Lehranstalt in Bayreuth, deren wissenschaftliche Werkzeuge und Informationsgeschwindigkeit im Internetzeitalter offenbar nach wie vor denen der Benutzung einer mittelalterlichen Postkutsche gleichen. Man sei erinnert: Sie zählt sich selber zu der Spitze Europas.
Ein weiteres Beispiel sind jene Wissenschaftler, die sich in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin Merkel über den kopierten Doktor Guttenberg echauffierten, aber dabei die eigenen Reihen – und dabei vor allem die veralteten Lehranstalten – unberührt ließen. Sie wollten den Guttenberg aus ihren Reihen verbannen. Und doch sind sie nicht anders. Vielleicht haben sie einfach nur einen Schmiss mehr im Gesicht. Geht es hier etwa mehr um den Nestbeschmutzer Guttenberg und weniger darum einzugestehen, dass man eben nicht die wissenschaftliche Elite ist?
Am Ende wird geklärt, warum ein solches Thema trotz aller Bemühungen nicht tot lief sondern bis zum Ende ausdiskutiert wurde. Die Bild-Zeitung stimmte kontinuierlich in ihre Guttenbergsche Jubelarie ein und wäre damit eigentlich der Garant für Unbesiegbarkeit gewesen. Doch am Ende zeigte sich, dass selbst die Bild nicht mehr genug ist. Erneut zeigt sich das Internet von seiner anarchistischen Seite. Unbestechlich und sehr schnell bei der Verbreitung der Meinung des Volkes. Es ist das „Wir sind das Volk“ aus dem Internet.
Beginnen wir mit dem Lehrbetrieb. Die Universität Bayreuth entschuldigt sich damit, dass sie die Arbeit nicht wirklich mit Internetdaten kontrollieren könnte. Es seien ja schließlich 400 bis 500 Seiten. Und die Arbeit war im Jahre 2006 eingereicht. Und 2006 war man ja im Internet noch nicht so weit (Google gibt es seit 1998). Lassen Sie uns lächeln über so viel Unwissenheit der deutschen Wissenschaft. Interessanterweise aber reichte deren Studie aus, der Arbeit neben dem Doktortitel auch noch die höchste Ehre in Form von „summa cum laude“ zu erteilen. Es wurde so als Meisterwerk ausgezeichnet. Nun sollte man erwarten, dass eine solche Ehre nicht leichtfertig erteilt wird und daher jene Arbeit genauestens gelesen, studiert und kontrolliert wird. Damit dabei nichts schief gehen kann, werden mehrere Wissenschaftler dazu bestimmt, diese Arbeit zu beurteilen. Offenbar ist niemanden auch nur eine einzige kopierte Passage aufgefallen. Selbst die aus der FAZ gestohlene Einleitung kam niemanden bekannt vor. Schlimmer noch! Sie waren sich einig, es sei ein erstklassiges Meisterwerk! Und das von einem mittelklassigen Student.
Keiner der so gut ausgebildeten Wissenschaftler kam auf die Idee, Strichproben einer Prüfung zu unterziehen. Es würde ausreichen, kleine Textpassagen in Google einzugeben und man würde sofort fündig werden. Dafür gibt es übrigens schon seit einigen Jahren spezielle Software, welche diese Aufgaben erfüllt. Es würde sogar ausreichen, sich einen Microsoft SharePoint Server zu installieren (den gibt es seit circa 2001) und dort mit wenigen Handgriffen die Suchmaschine zu rekonfigurieren. Man könnte automatisiert Texte über Suchmaschinen auf deren Trefferrelevanz analysieren. Aber das sind moderne Mittel der IT und Informatik und gehören offenbar nicht zu einer modernen wissenschaftlichen Einrichtung wie einer renommierten Universität Bayreuth. Es drängt sich der böse Verdacht auf: Diese Arbeit könnte durchgewunken worden sein, weil Guttenbergs Fürsprecher (ein Freund aus der CSU) sich sponsorisch erkenntlich zeigen würde. Das ist eine Vermutung mit satirischen Kontext und keine Anschuldigung, liebe Bayreuther Juristen.
Als nächstes zeigte sich die Universität überfordert bei der nachträglichen Analyse. Es reichte Guttenbergs Eingeständnis, die Detailprüfung wurde abgesagt. Diese Prüfung würde – so die Universität Bayreuth – Monate in Anspruch nehmen. Würde man die oben beschrieben Mittel nehmen, man würde eine ganze Woche benötigen. Unter der Voraussetzung, dass die IT-Kräfte der Universität mit den Werkzeugen nicht vertraut sind. Oder man macht es wie die kleine Gruppe von GuttenPlag: Eine kleine Gruppe von Menschen übernehmen die Aufgabe gutbezahlter und exzellent ausgebildeter Wissenschaftler und enttarnen die Arbeit in wenigen Tagen. Reine wissenschaftliche Handarbeit über das altmodische Mittel der Recherche. Quod erat demonstrandum, wie der wissenschaftliche Physiker gerne zum Besten gibt. Warum also würde eine solche Prüfung an einer weltweit geachteten Universität so viel Zeit in Anspruch nehmen? Eventuell liegt es daran, dass es keine Sponsoren oder Geldgeber gibt? Oder ist es die Angst vor der Wahrheit?
Denn genau das ist das nächste Übel. Guttenberg war kein herausragender Student. Das ist auch nicht schlimm. Er war so wie die meisten von uns allen sind: Breites Mittelmaß. Ist ja nicht schlimm, denn: Den Adel gibt es seit 1919 eh nicht mehr und ist ein Relikt aus dem tiefsten Mittelalter. Der erste deutsche Adelige tauchte im Jahre 98 auf. Der Adel ist eine Legende, die spätestens in den inzestuös untereinander verwandten und dadurch bluterkranken europäischen Königfamilien ihren ekelerregenden Höhepunkt feierte.
Und genau solches Mittelmaß durfte an der Universität keine Doktorarbeit bzw. keinen Doktorvater finden. Das ist das Gesetz der Universität. Eine Ausnahme wäre ein Fürsprecher. Dass es dann ausreichte, dass ein renommierter CSU-Politiker gar die Koryphäe Professor Peter Häberle überredete, den mittelmäßigen Guttenberg zu sich zu nehmen, kommt dann einem Wunder gleich. Selber Moses biblische Teilung des Wassers ist im Vergleich dazu eine Farce. Würde man nun auch noch einen Toten zu beklagen haben, man würde alles als eine mittelmäßige Krimiposse empfinden.
Werfen wir einen Blick auf die Wissenschaftler bzw. jene, die sich als solcher bezeichnen wollen. Betrachtet man die Mängel der Lehranstalt, dann wundert man sich über deren Klagen. Denn offenbar sind sie es ja selber, die einen Guttenberg möglich machten. Renommierte wissenschaftliche Juristen haben die Doktorarbeit geprüft. Also eben aus dem Kreis jener Wissenschaftler kommend, die sich an Doktor Merkel wandten, um die Entlassung Guttenbergs zu fordern. Die oben beschriebenen Mängel blieben unerwähnt. Man würde eine Entschuldigung der Wissenschaftler erwarten, dass sie und ihr Lehrbetrieb derart verkrustet und veraltet sind. Dass nach wie vor die gedruckte Presse und nicht das elektronische Medium diesen Betrieb bestimmt. Dass diese Wissenschaftler oft noch Papier und Bleistift für Notizen nutzen statt ein Notebook inklusive organisatorischer Software.
Diese Art Wissenschaft ist ohne Organisation und daher nicht Umsonst auf dem Weg, die Spitze Europas zu verlassen. Es fehlen noch die narbigen Schmisse altmodisch duellierender Weichlinge, deren Selbstwertgefühle derart geschwächt sind, dass sie sich im Gruppenzwang kleine Säbel in die milchigen Gesichter werfen müssen. Auch hier kommt Nicht-Jurist Oliver Kahn sinngemäß zu Worte: Jungs, euch fehlen wirklich die Eier. Es bleibt die Hoffnung, dass jene Wissenschaftler, die sich so über Guttenberg echauffierten, nun in ihre Lehrbetriebe gehen und dort den alten renommierten Professoren Druck machen, den wissenschaftlichen Betrieb zu modernisieren und zu beschleunigen.
Am Ende sei noch zu betrachten, warum das Thema überhaupt so lange am Leben blieb. Früher starben solche Themen schnell aus. Früher, als es nur die gedruckte Presse gab. Man erinnere sich: Selbst die Talkrunden mit erfahrenen Menschen wie Michel Friedmann haben nicht vorhersehen können, was passiert war: Die Stimmung im Internet wurde aufgeheizt. Das Internet zeigte die untrüglichen Resultate. Die Medien, die nach einer kurzen Schreiphase gerne wieder verklingen, waren gezwungen, das Thema hoch zu halten. Denn das Volk zeigte über das Medium Internet, dass es sich “nicht verschaukeln lassen wollte“. Genau das haben weder die meisten Medien, die Politikberater noch die Politiker begriffen: Das Internet ist die nicht kontrollierbare direkte Meinung des Volkes. Es ist keine gefälschte Befragung, es ist Volkes Stimme. Grund genug für die Politiker, warum sie das Medium Internet seit Jahren versuchen, in den Griff zu bekommen. Nichts ist schlimmer für den Politiker, wenn die Plebejer sofort und in aller Öffentlichkeit ihre Meinung sagen.
Fazit 1: Doktorvater und dessen Mitprüflinge sind elendige Versager oder furchtbar veraltete Wissenschaftler. Der Lehrbetrieb Universität hat sich offenbar – als ehemalige Gründerstätte des WorldWideWeb – zurück in den Aktenschrank entwickelt. Urteil: Es bedarf nicht mehr Geld für die Universitäten sondern moderne Konzepte und Ideen. Dazu noch junges Personal. Schon die 68er kannten das Problem: Unter den Talaren der Staub von tausend Jahren.
Fazit 2: Es war lieb von den angehenden Wissenschaftlern, sich gegen Guttenberg einzusetzen. Aber auch sie sollten in den Spiegel schauen und sich aufmachen, den Lehrbetrieb zu modernisieren statt sich aus irgendwelchen falsch verstandenen Traditionen Narben in das Gesicht zu ziehen. Zeigt einfach mal Eier gegenüber euren Professoren und packt das Problem selber an. Wer dem Professore hinterher läuft kann ein toller Assistent des Professors werden. Aber er wird nie ein eigenständiger Wissenschaftler sein.
Fazit 3: Doktor Angela Merkel hat bei einem Guttenberg ein Lehrstück in politisches Handeln gezeigt: Nicht tolle Locken oder forsche Reden ziehen die Fäden. Auch wer eine zu kleine Gruppe von Fürsprechern und in der eigenen Partei Feinde hat, steht auf tönernen Füssen. Nur wer eine Hausmacht geniesst und sich nach aussen quasi präsidial gibt, bestimmt die imperative Handlung und bildet so das Mass aller Dinge. Das ist übrigens nichts Neues und hat auch nichts mit Demokratie zu tun. Diese Art der Handlung existiert schon seit der ersten Gruppenbildung der Menschen. Die meisten Primaten handeln nach dieser Direktive. So gesehen hat sich der Unterfranke ein wenig zu sehr auf eine Hausmacht im Dorfe Guttenberg verlassen. Das war zu kurzsichtig.
Fazit 4: Die Medien haben immer noch nicht umgedacht. Auch die Politiker haben es noch nicht unter Kontrolle gebracht: Das Internet ist immer noch oder gerade jetzt erst recht die für Politiker anarchistisch anmutenden Plattform der freien Meinungsäußerung. Volkes Stimme kommt sofort gedacht in die Öffentlichkeit und lässt sich nicht mehr so einfach über Medien wie Bild oder beeinflussten Umfragen tunen. Das Volk sitzt im Theater in der ersten Reihe und wartet nicht mehr auf den Daumen des Kaisers. Es zeigt den eigenen Daumen und bestimmt selber, wen es mag.
Am Ende noch tröstende Worte für Guttenberg: Wir sehen, dass Guttenberg ein mittelmäßiger Student war. Aber: Er war so gesehen auch ein Gefangener des Systems: Als Guttenberg wäre er ohne Doktor-Titel ein schwarzes Familienschaf gewesen. Er musste also handeln. Andere ließen zu, dass er handeln durfte bzw. musste. In seiner Not unter Druck gesetzt hatte er kaum eine andere Möglichkeit, sich des Kopierens zu bedienen. Er war nicht der Starjurist. Es hätte wohl nicht gereicht. Dass am Ende andere seine Doktorarbeit noch zum Meisterwerk ernennen ist ebenfalls nicht seine Schuld. Diese Menschen erhoben ihn auf eine Stufe, auf die er nicht hingehörte. Noch viel mehr: Der Mensch Guttenberg hätte diesen ganzen Schmarrn nicht nötig gehabt. Sein Charisma und seine Art haben gereicht, beim Volk anzukommen. Er war ein Menschenfischer. Hätten nicht andere Menschen in seiner Familie und in der näheren Umgebung versucht, ihn in den Doktor hineinzuzwängen, Guttenberg würde jetzt noch Minister sein. Ohne Doktortitel. Aber was ist der Wert eines Doktortitels. Denn: Die Kopierarbeit war insgesamt kein Einzelwerk. Die Quote von kopierten Doktorarbeiten kann bei 50% liegen. Denn wir wissen ja: Die Universität ist nicht in der Lage, Arbeiten zu prüfen.
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