Beflügelt von der Stuttgart-21 Debatte drücken die Grünen weiter aufs Tempo. Sah es in den letzten Wochen nach einer kleinen Konsolidierung aus, werden sie vom Wählervolk nun weiter nach vorn getrieben. CDU und CSU rutschen erstmals unter die 30%-Marke und positionieren sich neben der in sich ruhenden SPD. Die kleinen Parteien enden zum Marktschluss uneinheitlich – sie rücken immer mehr an den Rand. So macht sich nun das Unionslager auf die Suche nach einem neuen Thema: Migration und Ausländer. So will man von Stuttgart-21 und den von Polizisten mit Wasserkanone beschossenen Kindern ablenken. Dass währenddessen gutausgebildete Ausländer mit guten Deutschkenntnissen vor der Tür stehen und nicht hineindürfen ist ein anderes Thema. Herr, vergibt ihnen, denn sie (die Regierenden) wissen nicht was sie tun. Die SPD gerät in das Problem, bei beiden Themen nicht voll vertreten zu sein. Den Grünen scheinen die Themen recht zu sein, sind sie doch aktuell am glaubwürdigsten.
CDU und CSU (29,9% -0,4) müssen erneut nachgeben und rutschen unter die historische 30%-Marke. In diesem Tempo sind bis Ende Dezember 29% und weniger drin. Die Tendenz ist das erschreckende an den Zahlen: Seit April 2010 – also in nahezu 7 Monaten – hat das Unionslager 20% der Wähler verloren. Merkel versucht nun jeden Trick, um wieder in ruhiges Gewässer zu gelangen. Um die brutale Staatsgewalt in Stuttgart-21 aus der öffentlichen Diskussion zu bringen, werden nun Themen wie Ausländer, Integration und Migration in den Ring geworfen. Merkel ist nun jedes Mittel recht, denn es steht nicht gut um sie. Dabei ist dieses Thema nicht wirklich nachhaltig. Der Bürger sorgt sich mehr darum, was die Regierung noch so auf ihre Kindern wirft. Dazu kommt: Während Merkel um Integration labert, sitzen gut ausgebildete und gut deutsch sprechende Ausländer vor der Tür und dürfen nicht hinein. Warum auch immer – aber dafür gibt es schließlich die Bürokratie. Sie sollten also schnell wieder die deutsche Sprache vergessen, viele Kinder zeugen und ein Kopftuch umwickeln. Damit hat man bei Merkel offenbar bessere Chancen – warum auch immer. Die Kritik wächst und erste mögliche Kandidaten werden als Testballons in die Medien platziert. Aber die Union hat nicht nur ein Personenproblem – sie hat keine Inhalte. Sie geistert führerlos durch die See und sucht Halt in jedem Rettungsboot. Das man dann nicht zufrieden ist mit Umfragen und diese verteufelt ist verständlich. Wer seine Haut nicht pflegt bekommt Pickel. Und wer ist schuld? Der Spiegel im Badezimmer, denn der zeigt die Pickel.
SPD: In der Defensive
Der Chart der SPD (29,9% 0,0) spiegelt die Lage der SPD wider: In Stuttgart-21 muss man sich heraushalten, man hat ja an diesem Wahnsinnsprojekt mit geplant. Beim Thema Ausländer und Integration hat Gabriel gerade erst die Feuer der Sarrazinschen Posse austreten müssen, nun kann er da nicht mit genau der selbigen Meinung in den Markt gehen. Das ist eine aktuell missliche Lage: Nirgends kann die SPD angreifen, sie muss passiv bleiben. Doch Passivität ist aktuell nicht gut, denn: Die Grünen stehlen ihnen nicht nur die Show sondern gleich auch noch ein paar Wähler. Aktuell ist der Chart noch als Konsolidierung zu bezeichnen. Doch aufgepasst Sozialdemokraten – in einer Konsolidierung steckt auch immer die Gefahr einer Trendwende. Für Ende Dezember sind Werte zwischen 28.5 und 30,3% möglich. Diese Bandbreite zeigt: Immer in Bewegung die Zukunft ist. Auffallend ist auch: Seitdem die Charts von CDU / CSU und SPD sich berührt haben, ist die kurzfristige negative Tendenz bei beiden zu einer parallelen Bewegung geworden.
Grün: Weiterhin ungebremst
Wer oder was soll die Grünen (21,4% +0,3) aktuell noch aufhalten? Statt sich auszuruhen setzt der Chart den Höhenflug fort. Bemerkenswert: Während Union und SPD leicht an Boden verlieren, legen die Grünen zu. Die Grünen räubern jetzt wieder in beiden Lagern – vor allem bei den U50ern. Nach wie vor ist es die Glaubwürdigkeit, die beim potentiellen Wähler gut ankommt. Außerdem hört man immer wieder auch außerhalb des Clubs: Die Grünen machen im Moment nichts falsch und sparen sich unnötige interne Diskussionen. Der Zusammenhalt ist respektabel. Dazu sind Themen wie Stuttgart-21 und Atomkraft in der Gesellschaft und bereiten dieser wachsende Sorgen. Bürgerprotest wird immer häufiger eine Ausdrucksform von bisher eher unpolitischen Menschen. Das sind grüne Themen und Handlungen. Was ist der Unterschied zu den 80ern? In den 80ern waren es die Kinder aus der Mitte der Gesellschaft, die den Protest wagten aus einer angepassten Gesellschaft. Heute sind sie Erwachsen geworden und Teil der Mitte der Gesellschaft. Die protestierende Mitte ist erwachsen geworden. Die deutsche Gesellschaft mag nicht gerade als revolutionssüchtig gelten. Das sieht man auch an den Zahlen im Vergleich zu den Nachbarn. Allein das Rentenalter in Frankreich und Großbritannien soll steigen und ist immer noch deutlich niedriger als in Deutschland. Man wirft den Deutschen oft vor, nicht gegen die Obrigkeit aufzustehen.
The Germans: Kleines Land mit großer Power
Die Wahrheit steckt in der unbeschreiblichen Power Deutschlands. Eben jene, welche die Nachbarn jahrzehntelang gefürchtet haben. In Deutschland konzentriert man sich daher lieber auf die wirklich wichtigen Dinge, um dagegen zu protestieren. Das unterschätzen deutsche Politiker gerne – so wie sie es aktuell wieder tun. Auf der anderen Seite ist Deutschland ein Land, der schon wieder in einem wirtschaftlichen Aufwärtstrend lebt, während die Nachbarn noch über große Einsparungen denken müssen. Deutschland hat vor kurzem endlich die Reparationskosten von zwei Weltkriegen abbezahlt und sich daraus folgernd auch eine Wiedervereinigung mit einem vollkommen heruntergewirtschafteten Ostdeutschland gegönnt. Das hat sämtliche Staatskassen viel abverlangt. Auch die ohnehin blanke Rentenkasse musste Auszahlungen an Menschen leisten, die dort nie einbezahlt haben. Aber das darf man jetzt nicht missverstehen. Das war eine richtige Entscheidung. Es war eine historische Tat. Und Helmut Kohl war wohl der richtiger Politiker, das umzusetzen.
Wiedervereinigung: Eine Basis der wachsenden Power
Dass man das machen musste, war klar. Anders wäre eine Wiedervereinigung nicht zustande gekommen. Auch eine von Lafontaine damals geforderte Koexistenz beider Deutschlands bis zur wirtschaftlichen Angleichung war eine ökonomische Schnapsidee. Aber man hat es leisten müssen und hat es sich leisten können. All die Kosten für Weltkriege und Wiedervereinigung – all das sind mehrere Billionen Euros. Ohne nationalistisch zu werden: Welcher Staat auf der Welt kann sich solche Possen leisten? Wohl nur die Deutschen. Die Stabilität bei Löhnen, die hohe Qualität des deutschen Arbeiters und die Konstanz in Gesellschaft und Gesetze machen Deutschland zu einem High-Performer für hohe Qualität und Ingenieurswesen. Wir müssen nicht wie die USA oder andere Länder hinter jeder Arbeitskraft hinterher rennen und den eigenen Wachstum bezahlen. Es würde reichen, wenn Deutschland zukünftig das Geld aus der bisherigen Reparationen in die Bildung steckt. Denn: Einen neuen Weltkrieg wird Deutschland sich sicher aktuell nicht leisten wollen. Inzwischen herrscht in Deutschland eine funktionierende Demokratie mit wachen Bürgern.
Der Rest: Aktuell ohne Bedeutung
Die ex-SED (8,3% +0,2) kann etwas an Boden gewinnen, bleibt aber noch im Keller der Umfragewerte. Ob dieses kleine Plus eine Trendwende ist, muss sich erst noch zeigen. Den alten Seitwärtstrend hatte die Linke schon längst negativ verlassen. Und erneut: Auch wenn man es wieder versucht: Die Beobachtung der ex-SED durch den Verfassungsschutz ist ein Grundrecht derjenigen, die durch die Herrschaft der SED in den vielen Jahren DDR gefoltert und gemordet wurden. Man gedenke den Opfern der DDR und wundere sich darüber, dass ganze 8% der potentiellen Wähler diese ex-SED heute wählen würden. Aufklärung tut hier dringend Not. Die FDP (3,7% -0,1) kränkelt weiter im historischen Tief. Nach wie vor sieht man keine Trendwende. Das könnte bedeuten, dass die FDP mittelfristig tot um die 3,8% pendelt. Das ist das Restwähler-Potential. Die Piraten (2,4% -0,1) machen ebenfalls keine positive Figur, es geht wieder auf die 2,4% zu. Warum? Es bleiben dieselben Gründe: Protest im Chatroom erreicht den Bürger nicht.
Fazit: Rot-Grün oder Grün-Rot
Grün und Rot haben nach wie vor eine große Mehrheit. Schaut man in die Regionen, dann könnte die Position des Juniorpartners noch nicht endgültig entschieden sein. Die Grünen machen langsam Jagd auf SPD und CDU. Wer das jetzt für übertrieben hält, der mag sich an die Zahlen im September 2009 erinnern: Wie laut hätten die meisten gelacht, wenn man Ihnen erzählt hätte, dass die Grünen in zwei Jahren von rund 11% auf über 21% steigen würden. Das die Grünen kurz davor sind, in Baden-Württemberg der Senior-Partner einer Grün-Roten Regierung zu werden? Meinte der Spiegel vor kurzem noch, die Krux der Grünen wären gute Ergebnisse ohne Regierungsämter, so kann sich das Thema demnächst schnell drehen. Wieder eine Analyse, die auf das alte System mit zwei großen Parteien aufbaut. Deutschland macht Platz im Bundestag – für die Grünen.
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