Die Umfragen der letzten Wochen nach der Berlinwahl sorgen für kuriose Ergebnisse. Der Club of Politics und dessen Partner Politprognose.de hatten alle Hände voll zu tun, diese Ergebnisse in relevante und maßgebende Zahlen umzuwandeln. Das Resultat:
Die SPD (26,1% -0,1) droht an der Widerstandslinie zu zerbrechen. Die Grünen (22,1% -1,4) verlieren deutlich an Stimmen. Ihnen droht ein Ende ihres positiven Langzeittrends.
Die Union (31,1% -0,8) lässt ebenfalls deutlich nach und verliert an Dynamik. Ein kleiner Ausflug nach oben könnte jäh zu Ende gehen. Die FDP (3,3% -0,2) verliert nochmals und ist aktuell nur noch eine Randerscheinung. Die Linke (6,0% -0,1) bestätigt ihren negativen Trend. Einzig die Piraten (6,6% +2,9) frohlocken und erschrecken die etablierten Parteien mit einem Pferdsprung in den prognostizieren Bundestag.
Die Union im wachsenden Chaos
Die Union kommt also doch noch nicht in einen positiven Trend hinein. Vor Wochen sah es noch aus, als wenn es leicht aufwärtsgehen könnte, doch die Energie scheint schon wieder zu verpuffen. Die Finanzkrise und die Krise um Griechenland tragen hier aber nicht die alleinige Schuld. Es geht vielmehr darum, wie man Krisen meistert. Und somit trägt die Hauptschuld die Koalitionsregierung selber. Sie macht immer mehr einen desolaten und chaotischen Eindruck und kehrt wieder zurück zu einer destruktiven statt einer konstruktiven Zusammenarbeit. Manch einer in den Union sehnt sich gar zu Schwarz-Rot zurück.
Die SPD bei der Selbstüberschätzung
Die SPD erfreute sich an der Berlinwahl und denkt an neue und höhere Ziele. Dabei hat die SPD nach wie vor ein Problem: Der Trend zeigt weiterhin eine negative Tendenz, denn nur Werte um 27 bis 28% könnten eine Trendwende andeuten. So darf die SPD zwar intern weiterhin um den Kanzlerkandidaten streiten. Aber sie wird damit keine Stimmen gewinnen. Auch Wowereits Entscheidung, in Berlin die Verhandlungen mit den Grünen nach einer Stunde abzubrechen, war durchsichtig und dürfte nicht zur Stimmungssteigerung der Sozialdemokraten beitragen. Die Grünen denken nun lauter denn je über Schwarz-Grün im Bundestag nach. Und es droht weitere Gefahr: Die Piraten können auch der SPD junge Wähler rauben.
Die Grünen im Abwind
Die Grünen haben ein Problem: Ihre Werte sind nun an der untere Grenze des Trends angekommen. Gleichzeitig haben sie kein Thema, dass sie wieder nach vorne tragen kann. Künast ist in Berlin kräftig gescheitert. Ihre zunächst guten Umfragen konnte sie nicht halten und so sind die Grünen in Berlin nur die Nummer 3, die sich mit der SPD streiten muss. Dazu kommen nun auch noch die Piraten, die im Stimmenlager der Grünen kräftig wildern. Wenn also demnächst nicht wieder ein Super-GAU geschieht, dann benötigen die Grünen mehr Substanz in der täglichen Politik. Was sind die Lösungen aus den Krisen heute?
Die Linke ohne Nachwuchs
Die Linken bleiben dem negativen Trend treu und schleichen Richtung 5%-Marke. Das merkt die Partei und will wieder Oskar Lafontaine zurück an die Front holen. Ob das wirklich eine Änderung bringt? Der Trend hält seit September 2009 an und ein Lafontaine allein wird keine Wähler bringen. Problem der Partei: Kein adäquater Nachwuchs, kaum wahrnehmbare Themen und immer wieder Streit und Chaos.
Die FDP noch tiefer
Die FDP erreicht ein neues Negativergebnis. Der Seitwärtstrend (ohnehin im Keller der Ergebnisse) droht nach unten hin wegzubrechen. Mit den Piraten verlieren die FDP auch noch im Bereich der jungen Wähler. In der Politik fehlen der Partei klare und funktionierende Konzepte. Und in der Regierung fehlt es ihnen an Durchsetzungskraft. Daher ist das Ende der Talfahrt wohl noch in weiter Ferne. Die böse Frage des mündigen Wählers: Wozu braucht er denn die FDP noch? Je länger diese Frage ohne Antwort bleibt, umso näher rückt das Ende der FDP. Denn: Eine Garantie auf ein dauerhaftes Comeback hat niemand.
Die Piraten unter vollen Segeln
Nun zu den Gewinner der letzten Wochen. Die Piraten gewinnen mächtig an Stimmen und steigern sich nach 2,7% und 3,7% auf jetzt ganze 6,6%. Zum einen haben nun auch die anderen Umfrageinstitute gezielter nachgefragt und zum anderen traut man sich jetzt offenbar auch mal die Stimme den Piraten abzugeben. Zumindest, wenn man sie bei Umfragen abgeben kann. Der Haken: Eine echte Politik haben die Piraten nicht.
Ein Konzept wollten sie lange Zeit nicht haben. Wenn der Parteivorsitzende Sebastian Nerz vorsichtig davon spricht, die Piraten seinen eher sozialliberal, dann tut er dies auch mit dem Hinweis auf die eigene persönliche Meinung. Anderenfalls würde er von den Parteikollegen auch gleich wieder zurückgepfiffen werden. Nun sagt man zu Recht: Die Grünen waren anfangs ebenfalls chaotisch und deren Konzepte eher eingeengt. Dennoch: So langsam sollten die Piraten ein wenig an der Substanz arbeiten, um auch dauerhaft diese Ergebnisse nach Hause nehmen zu können.
Germanys Next Regierung
Nach wie vor haben Rot und Grün eine Mehrheit im neuen Bundestag (52,4%). Doch die Mehrheit schmilzt dahin und der Eintritt der Piraten in den Bundestag mit über 7% der Mandate hat das Polster nochmals deutlich reduziert.
Da aber die FDP nicht mehr Teil des Bundestages ist, könnte es knapp reichen. Somit muss sich wiederum die Union nach einer anderen Mehrheit umschauen.
Das könnte überraschend schneller gehen als es sich die Sozialdemokraten denken können. Denn eine Koalition zwischen Schwarz und Grün (58,1% aller Mandate) ist für die grüne Basis kein Schreckgespenst mehr. Das Verlangen danach wächst und spaltet die Führung.
Für dieses neue Verlangen kann sich die SPD beim Berliner Wowereit bedanken. So gesehen handelt die SPD hier wohl taktisch unklug. Immerhin hört man von den Piraten, dass man Rot-Grün mit Orange unterstützen könnte (satte 59,6% aller Mandate). Doch SPD und Grünen müssen wohl erst einmal genauer hinsehen, wer denn die Piraten sind. Denn vom Stimmungshoch der Freibeuter sind die etablierten Parteien allemal überrascht worden.
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