Parteien 5: Produkt und Marketing
Die Falle ist einfach gestellt: Steuersenkungen werden versprochen. Deutliche Entlastungen für alle. Vor allem für Eltern mit und ohne Kinder. Und auch die Alten sind dabei: Nie wieder soll es Kürzungen bei den Renten geben. Die Renten sollen am besten jedes Jahr steigen. Sie werden sicher sein! Versprochen! Dazu das Rentensicherungsgesetz! Außerdem kommen dann noch die Steuerbefreiung von Aktiengewinnen und die dauerhafte Förderung der eigenen Arbeitsplätze in der deutschen Industrie. Förderung von bereits getätigten Investitionen.
Okay bei jungen Leuten und Armen kann man sparen. Der Eine muss erst mal was vorweisen und der Andere kann ja eh nichts. Egal, eine Lobby haben beide nicht. So wird es glaubwürdig, ein bisschen Härte wirkt wie Wahrheit. Also überlege nicht lange: Wähle mich, ich bringe das goldene Paradies. Ich bin das Alpha-Tier! I am your new leader! Das wollen wir jetzt nicht übersetzen.
Wir haben in der Serie ausführlich über die veralteten Strukturen der Parteien gesprochen, die listige Wahlversprechen aus den Spitzen der Parteien ermöglichen. Auch über Modernisierungsansätze wie Liquid Democracy haben wir diskutiert. Jetzt kommen wir zum endgültigen Finale. In den beiden letzten Teilen geht es um Verkauf und Lebenszeit von Versprechungen. Und um ein Rezept gegen Resignation! Denn die Demokratie fördert auch das Recht auf die eigene Meinung und explizit auf den Protest.
Wie kommen die Versprechungen zustande? Sie mögen es nicht glauben, aber in den Spitzen der Parteien sind einfache Manager, die mit Marketingagenturen und Politikprofis ein Beratergremium bilden. Also jetzt nicht wirklich richtige Manager wie in der Wirtschaft. Aber immerhin: Sie managen alte Strukturen und eine immer mal wieder unruhige Basis.
In diesem Beratergremium wird geklärt, was welche Partei wie verkaufen und vorschlagen will – alles inklusive Wettbewerbsanalyse. Das ist ein wenig Parteiprogramm light. Dazu kommen noch Psychogramme und Markttests der potentiellen Käufergruppe. Denn es geht darum, komplexe Programme in einfache leichte Produkte umzuwandeln. Die Versprechungen werden im wahrsten Sinne des Wortes wie Produkte behandelt. Wie ja heute alles nur noch als Produkt bezeichnet wird. Wir sind keine Menschen mehr. Wir sind alle wandelnde Produkte. Verkaufe Dich! Euphemismus ist keine Lüge! Die Welt will belogen werden! Wer nicht lügt ist ein Verlierer. Ehrlichkeit stirbt zuerst!
Moment! Ein paar Zeilen höher stand etwas von Käufergruppe? Ich dachte es geht um Wahlen!? Naja. Es gibt kaum einen Unterschied, ob Sie ein Produkt wegen der Werbung kaufen oder wählen. Die psychologische Wirkung von Produkt- und Wahlwerbung ist nahezu identisch. Der Mensch, der wählt, ist schon mal glücklich, weil er die vermeidlichen Guten gewählt hat oder immerhin überhaupt eine gute Entscheidung getroffen hat. Das psychologische Spiel wirkt.
Wenn Sie mich kaufen, tun Sie sich was Gutes! Und wenn Sie mich deswegen kaufen, dann wird Ihnen das aus der Versprechung heraus schon gut tun. Das ist selbsternährend und effektiv. Denn es ist Selbstschutz. Sie haben schliesslich Geld – also Ressourcen und Energie – dafür ausgegeben. Jetzt einzugestehen, dass es herausgeworfen war, wäre fatal. Da wirkt sofort das Unterbewusstsein als Schutzmechanismus: Ganz ruhig, das war schon gut!
Belohnungsprinzip – ick liebe dir!
Da beginnt die nächste schreckliche Parallelität. Denn die Werbung bei herkömmlichen Produkten wie zum Beispiel Lebensmitteln stecken – wie ja bekannt sein sollte – voller Lügen. Da werden teure Joghurts als Allheilmittel angepriesen, obwohl die Wirkung genau so ist wie beim normalen Billigjoghurt. Aber dessen Verpackung ist halt nicht hipp und verspricht auch nichts. Er ist halt nur bekanntlich gesund. Zusätzlich ist der teure Gesundmacher in Wirklichkeit sehr ungesund: Als Geschmacksverstärker hat man ordentlich Zucker beigefügt.
Am Ende gibt es noch die Geld-zurück-Garantie, die man deswegen anbieten kann, weil selbst die Enttäuschten niemals wirklich ihr Geld zurückfordern würden. Ist ja zu kompliziert. So ist das mit der Werbung: Je doller sie wirbt, umso misstrauischer sollte der Verbraucher sein. Tut er aber nicht, denn der Verbraucher sucht nach Dingen, die ihm weiterbringen und oder glücklich machen. Für Prüfung und Verschwörung bleibt keine Zeit. Am Ende geht es um Belohnung.
Und darum fällt der Mensch immer wieder darauf rein. Der Mensch raucht so lange Zigaretten, bis die Lunge am Ende ist, der Kreislauf vor sich hin siecht oder die Lautstärke des Herzschlags den Menschen nicht mehr schlafen lässt. Trotz aller Warnungen. Der Krug geht so lange zum Brunnen bis er bricht. Dagegen kann man nicht viel vorbringen. Denn das ist letzten Endes der Instinkt, der zu dieser Handlung führt. Die Marketingfirmen dieser Welt sind inzwischen darauf spezialisiert. Psychologie über Video und Audio und sogar schon über Geruch und Tastsinn sind den Marketingexperten bekannt, der Mensch ist ein gläsernes Objekt, das man durch den Markt steuert.
Nicht anders ist es bei Wahlen und den Versprechungen der etablierten Parteien. Manipulation der Wähler ist das eigentliche Ziel. Wäre eine Wahl so einfach wie ein PC-Spiel, dann hätten Sie mit diesem Programm schon gewonnen. Aber so einfach ist das auch wieder nicht. Auch das Charisma des Kandidaten spielt eine Rolle. Okay, Angela Merkel ist jetzt sicherlich kein gutes Beispiel. Allerdings war bei der letzten Wahl ihr Konkurrent Steinmeier inklusive hölzerner Namensstruktur sicherlich auch kein charismatischer Gegenpart. Im Wettkampf ist halt alles relativ. Man gewinnt einen 100 Meter Sprint auch in 30 Sekunden – wenn keiner schneller ist.
Also: So viele Versprechungen! Da weiß man gar nicht, wo man sein Kreuz machen soll. Keine Angst. Das Kreuz ist fast egal, denn: Diese Versprechungen werden eh nicht gehalten. Aber der Wahlgewinner ist daran immer ganz unschuldig. Und das wird ungemein glaubwürdig herüber gebracht. Wie das funktioniert? Das erfahren sie im nun endgültig letzten Teil dieser Serie.
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