Verteidigungsminister Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg möchte die Wehrpflicht abschaffen. Sofort reagiert die Scharr der Politiker automatisch mit Ablehnung. Einen wirklichen Grund haben sie nicht, aber aktuell ist in der Regierung sowieso jeder erst einmal gegen alles. Gerade gute Ideen sind besonders gefährdet weil gefährlich. Dabei meint es zu Guttenberg ernst und erkennt die Situation völlig korrekt: Eine kleine gut ausgerüstete Berufsarmee ist wesentlich besser und effizienter als eine Truppe aus zwanghaft rekrutierten Wehrpflichtigen mit desolater Ausrüstung. Das Argument ist nicht neu, aber dass ein Verteidigungsminister diese Aussage adaptiert ist neu. Mutig ist er ja, der bayrische Gutti aus Kulmbach. Es wird die längst fällige Diskussion in Schwung bringen. Ein Blick in die Historie zeigt, dass es in diesem Streit vor allem um den Zivildienst geht. Dort hat sich eine Branche an die jungen zwangsverpflichteten Billiglöhner gewöhnt.
Natürlich. Inzwischen hat er einen Rückzieher machen müssen. Wegen seiner Partei. Aber es reicht aus, um die gewünschte Diskussion zu starten. Die Wehrpflicht ist ein Relikt aus einer Vergangenheit, bei der es um reine konventionelle Landesverteidigung ging. Die Wehrpflicht stammt aus einer Zeit, als man sich in Deutschland noch vor der DDR und den Russen schützen wollte. Damals regierte in der DDR noch die SED – deren Nachfolgepartei in Deutschland als „die Linke“ weiterhin Politik machen darf. Absurd: Quasi gestern noch hätte die SED als Leitpartei des Unrechtsstaats DDR mit der UdSSR einen Angriffskrieg gegen Mitteleuropa speziell Deutschland ausführen können und heute gibt sich die Linke ex-SED als den Verteidiger von Recht, Freiheit und sozialer Gerechtigkeit aus. Wir sind zwar vom eigentlichen Thema abgewichen, aber solche Erinnerungen dürfen nicht verblassen. Denn leider erinnern sich heute immer weniger an die eigentlichen Taten der SED in Ostdeutschland.
Im Falle, dass der rote Osten angeführt von Kommunisten und Sozialisten endlich versuchen würde, die Macht auf Basis der Stalin-Doktrin bis zurück an den Rhein zu schieben, wollte Deutschland sich verteidigen – in einem atomaren Strahlenhagel aus dem Osten Deutschlands – atomare Post von den Nachbarrn aus der DDR. Was am Anfang mit der Gesellschaft noch konform gegangen sein mag, wurde zunehmend zu einem veralteten und überteuerten Apparat. Junge Menschen in Ausbildung und Studium sollten schießen lernen statt sich auszubilden. Sie sollten Gehorsamkeit lernen und lernen, sich einer Befehlsgewalt unterzuordnen. Thomas Manns „Der Untertan“ war dort noch der Geist des Alltags. Klar, da lernt man was fürs Leben. Auch wenn der Untertan damals schon Teil der Vergangenheit war.
Später begannen junge Menschen, sich dem zu widersetzen. Sie verweigerten den Waffendienst aus Gewissensgründen. Was anfänglich unter Strafe stand, wurde später vom Gericht bestätigt: Die Bundeswehr prüfte zukünftig, ob der Kandidat wirklich aus Gewissensgründen den Dienst verweigern konnte. Wundersame Blüten aus den 80er zum Thema Gewissensverhör durch Soldaten sind überliefert. „Stellen sie sich vor, ein Terrorist steht mit entsicherter Waffe vor Ihrer Familie. Sie haben auch eine Waffe. Erschießen sie den Terroristen? Oder haben Sie immer noch Gewissensbisse?“ Später gab die Bundeswehr klein bei. Sie musste aus Kostengründen das Kontingent verkleinern und so wurde mancher potentielle Soldat ausgemustert und andere durften ihrem Gewissen folgen.
Befreit waren diese Gewissenmenschen natürlich nicht. Sie mussten als Ersatz einen Sozialdienst leisten. Sie wurden Zivildienstleistende – kurz Zivi. Denn damals schon gab es in diesen sozialen Bereichen kaum freiwillige Berufstätige – kein Wunder ob der niedrigen Bezahlung. Und so wurde aus der Not eine billige Tugend: Die Sozialdienste lernten fortan mit den billigen jungen Menschen ihre Budgets zu strecken. Sie wurden abhängig.
Dort sitzt das Hauptargument gegen das Ende der Wehrpflicht: Was sollen denn all die armen Sozialdienste leisten? Jahrelang haben sie junge Menschen ausgenutzt. Kraft des Gesetzes gab es die billigen Zivildienstleistenden. Immer unter dem edlen Banner der sozialen Verantwortung! Schon in den 90ern hatten Experten gewarnt, zu viel auf den Zivi zu setzen. Dadurch werden die reelen Zahlen verdreht und eine ganze Branche lügt sich in die Tasche – echte Arbeitsplätze werden gestrichen – viele Tätigkeiten an die per Gesetz verpflichteten Zwangsarbeiter weitergegeben. Man verdünnt die Löhne und statt Menschen in dieser Branche Jobs zu geben verstopft man die Stellen mit Zivis.
Jetzt ist der Aufschrei groß. Unter dem scheinheiligen Mantel der sozialen Verantwortung sollen junge Menschen weiterhin für eine marode und undurchsichtig gemanagte Branche ihre Zeit opfern. Wieder einmal entscheiden Gesellschaft und Politik über Menschen , die keine direkte politische Lobby haben.
Statt Arbeitsplätze zu schaffen sollen weiterhin junge Menschen per Zwangsdekret als Billiglöhner benutzt werden. Es geht hier nicht darum, soziales Gewissen zu verdrängen. Es geht auch nicht darum soziales Gewissen mit Geld aufzuwiegen. Es geht darum, dass eine ganze Branche durchleuchtet und vernünftig gemanagt werden muss. Nach wie vor gibt es zu viele hilfsbedürftige alte Menschen, die von diesen Diensten nicht wirklich menschengerecht betreut werden. Weil immer das Geld fehlt. Einfach einen zwangsverpflichteten Zivildienstleistenden daneben zu stellen ist keine Lösung. Das ist das Kaschieren der Pflegenot und eventuell ein Hinweis und ein schlechtes Zeichen auf langfristiger Fehlplanung.
Statt junge Leute auszunutzen und den Dienst dann sowieso nicht wirklich vollständig professionell auszuführen, muss der gesamte Bereich durchleuchtet und dokumentiert werden. Welche Prozess laufen ab und wo sind Abhängigkeiten? Wo wird verschwendet und wo fehlt Geld. Es geht nicht darum, mit dem Rotstift zu drohen. Es geht um Optimierung und vollkommene Transparenz. Denn nur so kann man diese Branche retten. Mit dem Ausnutzen junger Leute als billige Arbeitskräfte retten niemand eine Branche. Damit hängt man nur eine weitere Lüge an.
Darum Herr zu Guttenberg: Setzen Sie sich durch und beenden die Wehrpflicht. Der Club ist mit dabei. Die heutigen Aufgaben kann nur eine kleine aber optimal ausgerüstete Berufsarme erledigen. Und der Sozialbereich: Lass dir helfen! Es wird Zeit, dass der gesamte Apparat durchleuchtet wird. Dass Perspektiven aufgezeigt werden. Und das neue Möglichkeiten genutzt werden. Die Gesellschaft ist nicht unsozial. Aber die Gesellschaft will Transparenz. Sie will nicht nur sehen, was mit dem Geld geschieht. Sie will auch Ergebnisse sehen.
Nur Mut, Herr Guttenberg. Es ist Zeit, diese Diskussion zu führen.
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