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Brot, Spiele, Fussball

Club of PoliticsDas Maß war voll. Kevin Pezzoni als bis vor kurzem wenig erfolgreiches Talent beim 1. FC Köln wurde von Fans des Vereins vor seiner Wohnung aufgesucht und bedroht.

Es ist nicht das erste Mal, dass Fans aggressiv und hasserfüllt auf die eigenen Spieler losgehen. So oft sah man die Bilder vor den Stadien, wenn die Durchfahrt des Mannschaftbusses nach Erfolgslosigkeit von mehr als aufgebrachten Fans behindert wurde.

Die Steigerung der Aktionen der Fans schreitet von Saison zu Saison voran. Wenige Spieler kapitulierten bereits vor dem Erwartungsdruck.

Inzwischen gibt es auch im deutschen Fußball sogenannte Ultra-Gruppen, die sich als extreme Fans als die wahren Vertreter des Vereins sehen. Sie sehen sich als unersetzliche Macht der Stadionstimmung und des Vereins. Jahrelang schauten alle Vereine zu, Reaktionen blieben aus. Dass dabei die Polizei vom Steuerzahler bezahlt für Ordnung vor den Stadien mit hochbezahltem Fußball sorgen musste erleichterte die Entscheidung der Vereine. Würden die Vereine für diese Einsätze zahlen müssen, dann hätte man schon viel früher gegen den Trend der Gewalt gearbeitet. Es wäre eine Kostenfrage gewesen.

Die Fans sind weder unschuldig noch durch das Versagen der Vereine entschuldigt. Sie sind die kritische Masse einer jeden Gesellschaft, die sich das Ventil für den Alltag sucht. Dass dabei die Gruppe der Fans und jene des Profifußballs immer weiter auseinander driften ist ein Ergebnis des hochbezahlten Fußballs.

Allein in Liga 3 des deutschen Fußballs kann ein überdurchschnittlicher Spieler ein Jahresgehalt von mindesten 120.000 Euro mit nach Hause nehmen. Das ist in etwa das Gehalt eines nicht zu alten und schwer arbeitenden Geschäftsführers eines mittelständischen IT-Unternehmens mit quasi 24/7 Arbeitszeit. Der ITler spielt also eine gute Rolle in der 3. Liga In Liga 2 kann sich das Einkommen schon um den Faktor 10 erhöhen – für den Fußballer. An die Gehälter der Liga 1 wollen wir gar nicht erst denken.

Nun soll diese Debatte den Fan nicht damit entschuldigen, dass Fußballer viel Geld verdienen, aber die zwei Ebenen Fan und Fußballspieler driften damit weiter auseinander. Fans, die zumeist unter dem Landesdurchschnitt verdienen und den Alltag hart erarbeiten müssen, sehen den Gegensatz auf der anderen Seite. Das ist noch nicht das Problem, denn diesen Unterschied gibt es schon länger. Aber mit der immer stärkeren Vermarktung des Produkts Fußballs (eine hässliche Bezeichnung für diesen Sport) wächst die Kluft zwischen Realität der meisten Bürger und dem Kosmos Bundesliga. Mittelmäßige Spieler werden von Verein und Medien zu Halbgöttern umfunktioniert. Interviews mit Fußballern gleichen einer Audienz bei einer Exzellenz. Derart gehypt und nach oben gestellt ist der Druck unerhört. Die Bezeichnung Popstar wäre eine deutliche Untertreibung.

Stellt sich Versagen ein, dann wächst die Unlust der Fans. Der Halbgott wird als Mensch erkennbar, der im Ansehen der Fans erdrutschartig verliert. Der Fan zieht sein Fazit: Der Spieler verdient so viel Geld und trotzdem bleiben beim Spieler und somit bei der Liebe (der Verein) der Erfolg aus. Da der Erfolg des Vereins für den Fan sehr wichtig auf Grund dessen privat fehlenden Erfolges ist, wächst das Negative gegen die versagende Einheit. Der Sündenbock ist bei uns allen ein menschliches Symbol.

So war es auch bei Kevin Pezzoni. Als hoffnungsvolles Talent aus der englischen Liga zum 1. FC Köln geholt erfüllte er zu keinem Zeitpunkt die in ihm gesteckten Erwartungen, die Verein und Medien präsentiert hatten. Die letzten Spiele waren nicht gut und er wurde von den Medien entsprechend schlecht dargestellt. Dazu kommt ein Verein wie der 1. FC Köln, der wieder einmal wie so oft in den letzten 20 Jahren weder seine Erwartungen noch dessen angeborenen Eigenanspruch erfüllen konnte und am Ende der letzten Saison für die Vereinsverantwortlichen überraschend abstieg.

Diese Mischung aus teurer Vermarktung, überzogener Mediendarstellung und durch Vereinsverantwortliche fehlerhaft kommunizierte Eigenansprüche bringt die Fans aus den Gesellschaftsschichten außerhalb der Millionenverdienste in Aufruhr. Allein mit der harten Bestrafung von Fans wird das Problem nicht beseitigt sein. Das würde nur die Symptome bekämpfen aber die Ursache unverändert weiter arbeiten lassen.

Hier aber liegt das Problem der Fußballigen. Weder DFB noch DFL wollen wirklich gegensteuern. Denn man braucht das Geld aus jener Maschinerie, um im internationalen Vergleich zu bestehen. Diese Maschine inkludiert auch das Vermarkten der Spieler als Halbgötter und Markenträger. Auch das Umfeld entscheidet: In Köln leiden bei Misserfolg Stadt und Umfeld. Beim FC Bayern München ist es nur das Umfeld, die Stadt bejammert als Ausgleich den häufigen 1860er Misserfolg. Glück für den FC Bayern: Man hat (hart erarbeitetes) Geld und sehr oft Erfolg.

International ist der Wind gar stärker. Wenn zum Beispiel ein Christiano Ronaldo von Real Madrid mit einem grob geschätzten Gehalt von 11 Millionen pro Jahr ausdrückt, er sei trotzdem traurig, dann kann etwas nicht stimmen. Ein Fan von Real Madrid soll irgendwo in einem Blog dazu gemeint haben: „Wenn portugiesische oder brasilianische Fußballer sagen, dass sie traurig sind, dann wollen sie einfach nur mehr Geld.“ Das ist sicherlich eine einseitige Aussage. Denn es gibt sicherlich auch traurige Fußballer anderer Nationen. Doch in Ligen wie in England gibt es genügend gelangweilte russische, amerikanische oder arabischer Milliardäre, die für einen Wechsel Ronaldos sofort die Portokasse öffnen würden.

Insgesamt ist es kein Problem, das in Deutschland verursacht wurde. Hier sind die Geldflüsse im Vergleich zu den anderen Ligen noch relativ moderat. Der Begriff moderat ist dabei allerdings relativ zu verstehen. Aber es bedarf einer Lösung, denn der Fall Kevin Pezzoni zeigt, dass die Grenzen bald noch deutlicher überschritten werden können. Die Barriere wurde im Falle Kevin Pezzoni nicht getestet, sondern bereits durchbrochen.

Am Ende sei nochmals gesagt: Was der Fan tut, das ist nicht zu entschuldigen. Das ist in solchen Fällen wie bei Kevin Pezzoni eine klare und unverzeihliche Straftat. Der Fan wird nicht von seiner Verantwortung freigesprochen. Aber das Problem wird nicht alleine mit harten Strafen gegen Fans beseitigt werden. Ansonsten bleibt der Status der Halbgötter marketinggetrieben erhalten. Das würde die nächste Tat provozieren: Denn fällt wieder einer dieser Halbgötter aus dem Olymp, dann wird der Zorn erneut groß sein. Oder noch grösser werden. Das ist übrigens nicht neues: Schon im alten Rom war dies das zu erwartende Ende der Kämpfer im Circus Maximus.

Wer dem Volk Brot und Spiele gibt der muss bei Zeiten auch das Opfer liefern.

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