Der nordrhein-westfälische Polizeigewerkschafter Erich Rettinghaus fordert in zahlreichen Interviews die Aufrüstung der Polizei. Wehrlose und stark behelmte Polizisten müssen laut Erich Rettinghaus mit elektronischen Waffen aufgerüstet werden, um sich gegen den normalen Bürger in Deutschland besser schützen zu können. Neben Schusswaffe, Schlagstock und Pfefferspray verlangt er nun den umstrittenen Elektroschocker »TASER« als neue sogenannte Distanzwaffe. Polizisten würden immer häufiger Ziel brutalster Angriffe sein – so seine Aussage. Wer gesehen hat, wie seine Kollegen in Stuttgart auf wehrlose Kinder, unbewaffnete Erwachsene und alte Menschen einschlugen, der ist verwundert über derlei Forderung nach Aufrüstung. Waren es nicht die Demonstranten, die ohne Waffen antraten? Man sah eine Polizeitruppe, die sich bei Großeinsätzen zeitweise wie eine Horde Freizeitschläger auf das Publikum stürzte. Wäre es nicht besser, eine ethische und moralische Ausbildung jener Einsatzkräfte zu unternehmen? Konfliktbeherrschung und das Hinterfragen der Konsequenz der eigenen Handlung könnten hier Wunder wirken.
Was Rettinghaus geritten haben mag, nun wiederholt in Interviews eine stärkere Bewaffnung der Polizei zu fordern, darüber darf gerätselt werden. Es muss die Publicity sein, die er sucht. Der Mann will ganz eindeutig noch Karriere machen. Ist das aber gleich ein Grund für Aufrüstung zu werben? Aktuell ist die Polizei bei ihrem massiven Auftreten bei Demonstrationen gut gerüstet. Einsatzwagen mit Wasserkanonen, die gerne mit Tränengas angereichert werden und den Bürger mit starkem Überdruck verletzten und so demonstrationsunfähig machen sollen. Prügelstöcke, Pfefferspray, geschützte Faust und sogar die Dienstwaffe gehören unter anderem zur Bewaffnung der Einsatzkräfte. Das reicht ihm nicht. Dass Amnesty International den TASER sogar als mögliches „Folterinstrument“ ablehnt, bezeichnet er als Unfug. Dabei beweist er auch gleich Detailkenntnisse, in dem er gegenhält, dass man auch mit einem Handtuch und einer Flasche Wasser Menschen foltern kann. Herr Rettinghaus würde in Guantanamo bestimmt eine erfolgreiche Karriere hinlegen. Dass es laut einem Bericht von Amnesty International in den USA 2008 durch den TASER-Einsatz zu 331 Todesfällen kam, wird gerne verschwiegen. Das würde die Freude über das Spielzeug trüben.
Mag er den TASER auch nicht unbedingt bei Großeinsätzen priorisieren, so ist aber doch so der Anfang gemacht. Zu oft wird anfänglich verharmlost und eingegrenzt und später der Einsatz erweitert, weil das Thema kaum noch wahrgenommen wird. Die Waffe ist nach wie vor umstritten und kann auch den Tod einer Person zur Folge haben. Er bringt Fallbeispiele von Kollegen, die in einem Einsatz massiv angegriffen worden sind. Was der Beamte bei einem solchen massiven Angriff mit einem TASER anfangen soll beziehungsweise, wie er dabei diese Waffe derart reflexartige starkklar machen soll, verrät Rettinghaus nicht. Er ist halt ein Gewerkschaftler und politisiert. Missbrauch will er sogar gesetzlich verhindern. Dass man Missbrauch so nicht verhindert sondern nur nachträglich verfolgbar machen kann, lässt er außen vor. Das außerdem Polizisten immer wieder bei Gewalttaten und Vergehen geschützt beziehungsweise durch die Anonymität nicht haftbar gemacht werden können, ist eine weitere Tatsache, die er verschweigt. Gegen die Forderung nach Namensschildern fällt ihm auch nur das alte Gegenargument ein, der Polizist müsse geschützt und seine Anonymität bewahrt werden.
Wir wollen einem solchen Menschen und seinen Rüstungsgelüsten nicht zu viel Platz bieten. Aber der Gesellschaft wird angesichts der Bilder in Gorleben und Stuttgart immer wieder vor Augen geführt, zu wie viel Gewalt die Einsatzpolizei bereit ist. Man hat das Gefühl, als ob es einen bewussten verschwiegenen Strategiewechsel gegeben hat. Deeskalieren war gestern, ab sofort wird wieder draufgeschlagen. Das hatten wir ja schon in den 68ern und auch zur Hochzeit der AKW-Bewegung. Wenn der Einsatzleitung nichts mehr einfällt, dann kommt der Prügelstock hervor. Noch hat es bisher nur Verletzte gegeben. Ein älterer demonstrierender Mensch hat ein Augenlicht verloren. Man fragt sich offen: Muss es denn erst Tote geben, bevor sie sogenannten verantwortlichen Menschen handeln?
Rettinghaus will sich als Hartliner präsentieren und sucht für zukünftige Aufgaben die Öffentlichkeit. Das passt in das Konzept. Unlängst forderte sein Kollege Wendt nach dem Gorleben-Einsatz, dass die Fussball-Bundesliga den Betrieb für ein Wochenende ruhen lassen müsse. Auch wenn bekannt ist, dass man eine solche bundesweite Veranstaltung nicht eben kurz mal absagen kann. Warum forderte er denn nicht im Gegenzug die Bundesregierung auf, die Castor-Transporte einzustellen. Jene sind das Hauptübel. Doch so viel Mut darf man von solchen Menschen nicht verlangen. Lieber tritt man an die Medien und versucht sich in der Macht des Populismus.
Die Medien – selbst solche wie der Spiegel – interviewen ihn bereitwillig und völlig unkritisch. Rudolf Augstein würde sich im Grabe umdrehen. Der Spiegel einst als die Stimme der freien Demokratie bereitet an dieser Stelle Journalismus von der Stange. Nur nicht angreifen und nicht frech sein. Glatt und bunt muss das Produkt sein. Es ist der vollzogene Übergang zu einem über Werbung finanzierten Presseorgan ohne Selbstanspruch geworden. Das Produkt darf keinen Eigengeschmack haben und der fehlende Geschmack wird mit Geschmacksverstärkern passend gemacht. Über diese Wege finden Menschen wie Rettinghaus dieser Welt den ungefilterten und kritiklosen Weg an den Bürger. Wir gratulieren.
Am Ende bleibt die Frage, wer den freien Bürger vor solchen Schlägertruppen und den Rettinghausens dieser Welt schützt? Brauchen wir mehr Polizei? Brauchen wir eine stärkere Polizei? Weder eine überwaffnete Polizei noch eine gewaltbereite Einsatztruppe haben in Deutschland je etwas positives bewegt oder negatives verhindert. Im Gegenteil: Man schaue auf die Weimar Republik. Gewaltbereit wurde die Macht einer von unfähigen Politikern zerrütteten Demokratie verteidigt. Anschließend schaue man auf das dritte Reich. Die Polizei wurde neben anderen Truppen zum Schutz der Nazi-Diktatur eingesetzt. So gesehen muss die Gesellschaft immer wieder kritisch auf eine Aufrüstung der Polizei blicken. Ein TASER von heute als Schutzsystem kann morgen ohne Probleme gegen den Bürger bei friedlichen Protesten eingesetzt werden. Und da die Waffe nicht immer tödlich ist, liegt es nahe, dass manche Menschen dann gerne mal öfters abdrücken. Täter und Emotionen bahnen sich immer ihren Weg. Eine Staatsregierung, die sowas nötig hat, sollte generell über die Ziele und Legitimation nachdenken.
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